Hochtour Weißseespitze – Brandenburger Haus
Die Weißseespitze überragt die größte zusammenhängende Gletscherfläche Österreichs – den Gepatschferner – und ist eine verhältnismäßig leichte Hochtour, die sich gut als Einstieg in die hochalpinen Gefilde eignet (gute Wetter- und Gletscherbedingungen vorausgesetzt!). Neben dem Blick auf die benachbarte und sehr elegante Weißkugel begeistern uns vor allem die arktisch anmutenden und schier endlosen Gletscherflächen. Über diese führt der bei guten Verhältnissen bereits der leichte Gletscheranstieg aus dem Kaunertal über die Rauhekopfhütte.
Diese kleine, aber sehr liebevoll geführte Hütte wird im Zwei-Wochen-Rhythmus von Ehrenamtlichen bewirtschaftet, da bei nur 21 Schlafplätzen der Andrang meist gering ist und somit auch die Verdienstmöglichkeiten begrenzt sind. Vor vielen Jahren entschied man sich daher, die Bewirtschaftung auf ehrenamtliche Hüttenwirte umzustellen, die sich im Zwei-Wochen-Turnus in ihrer Freizeit um die Gäste kümmern – und das mit großem Erfolg! Wir wurden herzlich umsorgt und bestens verköstigt.
Wichtiger Hinweis: Bei guten Verhältnissen handelt es sich hier um eine leichte bis mäßig schwere Hochtour. Dennoch bewegt man sich ständig in hochalpinem, vergletscherten Gelände. Die weiten Gletscherflächen sehen nur auf den ersten Blick harmlos aus, aber es gibt überall Spalten. Daher sind Erfahrung in diesem Gelände sowie die entsprechende Ausrüstung obligatorisch für die Tour!
Zustieg zur Rauhekopfhütte
Das spätsommerliche Wetter und die günstigen Tourenverhältnisse lassen dieses Jahr (2024) auch noch Ende August Hochtouren zu und so haben wir uns kurzerhand entschlossen, die Weißseespitze über die Rauhekopfhütte anzugehen. Da in der kleinen Hütte max. 21 Schlafplätze zur Verfügung stehen, muss man bei kurzfristigen Übernachtungsanfragen an Wochenenden allerdings etwas Glück haben.
Wir bekommen jedenfalls noch drei Schlafplätze im Lager. Der Weg aus dem Kaunertal über die Rauhekopfhütte ist nur einer von vielen Aufstiegsrouten zur Weißseespitze, aber sicher einer der schönsten, denn schon beim Hüttenzustieg über die stark zerklüftete Zunge des Gepatschferners bekommt man einen Hochtouren-Vorgeschmack auf das, was einen am nächsten Tag bei der Gipfeltour erwartet. Und allein die exponierte Lage der Rauhekopfhütte auf einem Felsriegel über dem Gepatschferner macht sie zu einem ganz besonderen Ziel. Umrahmt wird die sehr einfache Hütte mit der legendären Outdoor-Dusche von einigen 3000ern der Ötztaler Alpen.
Für den Zustieg zur Hütte müssen ca. 3 Stunden eingeplant werden. Die Abzweigung zur Hütte befindet sich unterhalb des Eisbruchs auf ca. 2.600 Meter Höhe. Für ein paar spektakuläre Fotos lohnt sich allerdings der kurze Abstecher zum Eisbruch (nur mit entsprechender Ausrüstung und Erfahrung).
Früher Start und Sonnenaufgang auf dem Gletscher
Nach einer kurzen Nacht im Lager lässt uns die Vorfreude auf das Abenteuer die Müdigkeit schnell vergessen. Von der Terrasse der Rauhekopfhütte starten wir mit einer kühlen Brise und in absoluter Dunkelheit den Aufstieg um ca. 05:30 Uhr in südwestlicher Richtung. Dank der Stirnlampen sind die Wegmarkierungen anfangs noch gut zu erkennen, bis sie dann irgendwann nicht mehr vorhanden sind. Die Wegfindung ist hier jedoch unkritisch und die Nacht weicht langsam schon einem zarten Grau. Nach ca. 1 km und etwas mehr als 120 Höhenmetern erreichen wir bereits den Rand der riesigen Eisfläche des Gepatschferners.
In der Dämmerung legt sich eine ehrfürchtige Ruhe über die hochalpine Kulisse, als wir anhalten, um die Steigeisen anzulegen und uns für die Gletscherseilschaft vorzubereiten. In südwestlicher Richtung geht es dann zunächst noch schattig und recht flach weiter, während sich am Himmel über den umliegenden Bergen ein leichter rosa Schimmer ankündigt.
Als wir uns Schritt für Schritt über das scheinbar unendliche Eisfeld bewegen, beginnt der Himmel im Osten zu leuchten. Die ersten Sonnenstrahlen berühren die Gipfel der umliegenden Berge und hüllen sie in ein warmes, goldenes Licht. Der vorher dunkle und karge Gletscher verwandelt sich nun in eine glitzernde, lebendige Fläche. Jeder Eiskristall reflektiert das Sonnenlicht und erzeugt ein funkelndes Schauspiel, das den Atem stocken lässt.
Wir folgen der Route bis unter die Osthänge des Zahns, bzw. weiter aufwärts und im Wechsel zwischen Flachstücken und kurzen Aufschwüngen von Nordosten auf das flache Gipfelplateau, bis wir die knapp 5 km zum Gipfelkreuz absolviert haben. Vor allem der letzte Aufschwung über ein großes Firnfeld hat es in sich. Ein Fehltritt oder Ausrutscher sind hier keine Option.
Doch der Ausblick, der sich uns bei jedem weiteren Schritt mehr offenbart, zieht uns förmlich nach oben. Der Himmel strahlt nun in einem klaren, intensiven Blau, und das spätsommerliche Sonnenlicht taucht die Szenerie ins beste Licht. Das Gipfelkreuz ragt nun endlich vor uns in einem endlosen Panorama aus Bergen, Eis und Himmel hervor. Die Welt unter uns scheint noch zu schlafen, während wir in der Höhe dem Himmel nach gut 3 Stunden Aufstieg ein kleines Stück näher gekommen sind – BERG HEIL!
Weiter zum Brandenburger Haus
Nach einer ausgiebigen Gipfelbrotzeit und der Aussicht auf weiterhin stabile Wetterverhältnisse entschließen wir uns, vom Gipfel der Weißseespitze noch in Richtung Brandenburger Haus aufzubrechen, um von dort aus ggf. noch einen zweiten Gipfel, den Fluchtkogel (3.494 m), am heutigen Tag zu erreichen.
Schon aus der Ferne kann man die Silhouette der großen Hütte schemenhaft weit im Osten auf einem dunklen Felsriegel erkennen. Es liegen ca. 6 km Blankeis vor uns – ein ordentlicher Hatscher, der hier mit den Steigeisen zurückgelegt werden muss. Aber es ist noch früh am Vormittag und wir starten optimistisch in das Vorhaben. Ohne große Schwierigkeiten und Steilstücke marschieren wir in einem großen Bogen ostwärts über die schier endlose Eisfläche. Es ist allerdings auch hier immer wieder Vorsicht geboten: Unzählige Gletscherspalten gilt es auf dem Weg zu überqueren oder zu umgehen. Nach gut 3 Stunden erreichen wir schließlich mit etwas müden Beinen die Randkluft des Gletschers bzw. den Beginn des felsigen Aufstiegspfads, der uns zum Brandenburger Haus führen wird.
Mittlerweile hat sich der Himmel leider etwas verdunkelt und die Gewitterneigung hat deutlich zugenommen. Von Westen ziehen immer wieder dunkle Wolkenbänder durch und verdecken die Sonne. Somit beschließen wir noch unterhalb der Hütte, den Gipfelsturm zum Fluchtkogel von der Agenda zu streichen, denn schließlich müssen wir auch wieder zurück zur Rauhekopfhütte kommen am heutigen Tage und dazu müssen wir erneut rund 6 km mit Steigeisen über den Gletscher zurücklegen.
Zurück zur Rauhekopfhütte
Nach einer kurzen Stärkung im Brandenburger Haus treten wir den Rückweg zur Rauhekopfhütte an. Zunächst auf dem gleichen Weg zurück, bevor es nach ca. 1 km leicht rechts in nordwestlicher Richtung in einem langgezogenen Bogen immer weiter nördlich zurück zum Ausgangspunkt geht. In der Ferne wechseln sich immer wieder das Donnern einiger Gewitterzellen und das Grollen von unzähligen Steinschlägen an der Nordflanke der Erichspitze ab. Wir kommen jedoch trocken und unbeschadet wieder an der Rauhekopfhütte an und das erste Kaltgetränk des Abends können wir noch auf der Terrasse genießen. Dann beginnt es allerdings, noch vor dem Abendessen, ungemütlich zu werden und die ersten Tropfen fallen vom Himmel.
In der warmen Stube der Hütte planen wir nach dem köstlich zubereiteten Essen im Kerzenschein noch die Sonnenaufgangstour für den nächsten Tag. Wir wollen den für die Hütte namensgebenden Gipfel – Rauher Kopf (2.991 m) – in Angriff nehmen.
Hochtourenabenteuer auf der größten zusammenhängenden Eisfläche Österreichs – get well outside!
Weitere Details und die GPS Daten zum Zustieg zur Rauhekopfhütte findest du bei Komoot:
Weitere Details und die GPS Daten zur Tour Weißseespitze & Brandenburger Haus findest du bei Komoot:
Weitere Details und die GPS Daten zum Abstieg von der Rauhekopfhütte findest du bei Komoot: